Gossner Mission in Deutschland
Gossner Mission in Deutschland
Die Arbeit in Deutschland gehört seit jeher zu den besonderen Kennzeichen der Gossner Mission. Wie die Arbeit in den anderen Teilen der Welt ist auch das Engagement in Deutschland geprägt von dem Zusammengehen von Glaube und Diakonie in der Tradition Johannes Evangelista Goßners.
Der Ausschuss „Gossner in Deutschland“ setzt sich mit Fragen der Transformation in der Gesellschaft in Richtung von mehr Gerechtigkeit, Frieden und Nachhaltigkeit auseinander.
„In der Erwartung einer von Gott ausgehenden Transformation bekommen wir Orientierung und werden wir ermutigt, konkrete Schritte der Transformation zu gehen“, so Gossner-Direktor Christian Reiser. Kontext und Begriffe haben sich geändert, aber das Anliegen Johannes Evangelista Goßners ist geblieben. Es geht nach wie vor um biblische Spiritualität und um solidarisches Handeln.
Konkret stellen die Mitglieder des Ausschusses ihre Kontakte zu transformativen Projekten in Kirche, Landwirtschaft, Handwerk, Inklusion und Gemeinwesenarbeit und ihre Kenntnis von biblischen Grundlinien der Transformation den ökumenischen Gästen der Gossner Mission zur Verfügung.
Dabei organisieren sie Besuchsmodule, in denen die Gäste aktiv mitarbeiten mit dem Ziel, dass sie besser verstehen, vor welchen transformationsbezogenen Fragen die deutsche Gesellschaft steht. Immer steht im Hintergrund die Frage, wie es gelingen kann, einer Verwandlung der Gesellschaft in Richtung von mehr Gerechtigkeit, Frieden und Nachhaltigkeit Gestalt zu geben.
Die Arbeit „Gossner in Deutschland“ geht zurück sowohl auf die Arbeit der Gossner Mission in der DDR als auch auf die Arbeit der „Gesellschaftsbezogenen Dienste“ in der Bundesrepublik Deutschland.
Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs hatte die Gossner Mission einen Bauwagen erworben, mit dem einige Gossner-Freunde zunächst in das völlig zerstörte Oderbruch-Gebiet zogen. Der Wagen sollte zur Evangeliumsverkündigung in den Gebieten östlich von Berlin eingesetzt werden. Er trat dort an die Stelle von Kirche, Pfarrhaus und Versammlungsraum. Damit begannen Versuche, mit offenen, alternativen Gemeindeformen einen Weg zu finden, in der 1949 gegründeten DDR Christentum im Sozialismus zu leben.
Die Arbeit im Oderbruch markierte somit den Anfang einer Suchbewegung: Kirche begab sich auf die Suche nach den Menschen in einer Zeit der Umbrüche. Sie wurde nicht mehr nur als Veranstaltungskirche, sondern als Kirche im Alltag erlebt.
Im November 1958 ging eine Gruppe von (Gossner-)Theologen auf Arbeitssuche in Lübbenau und Schwarze Pumpe. Ihr Ziel war, dauerhaft in Betrieben und auf Baustellen zu arbeiten und eine neue Perspektive des Lebens, der Welt und des Evangeliums zu gewinnen.
Es kam jedoch anders: In der DDR sah man die Grenzüberschreitung aus der Welt der Kirche in die Welt der Arbeiter nicht gern. So ließ die Kündigung nicht lange auf sich warten.
In der Bundesrepublik Deutschland entwickelte sich parallel dazu die sog. Mainzer Arbeit der Gossner Mission, die auf die Idee und Vision des großen Gossner-Mannes Horst Symanowski zurückging.
Das Gossner-Haus in Mainz bot Halbjahresseminare für Pfarrer:innen in der Industriegesellschaft an. 1961 kamen Industriepraktika für Theologie-Studentinnen und Studenten hinzu. Theolog:innen gingen also auf Zeit in Industriebetriebe und teilten das Leben der Menschen dort.
Auch beteiligte sich die Gossner Mission in Mainz mit Beginn der 1980er Jahre aktiv in der damaligen Friedensbewegung (gegen den Nachrüstungsbeschluss) und engagierte sich in der Arbeit mit Migrant:innen und arbeitslosen Jugendlichen.
Nachdem das „Seminar für kirchlichen Dienst in der Industriegesellschaft“ 2001 in die Verantwortung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau überführt worden war, ging die Deutschland-Arbeit unter dem Namen „Gesellschaftsbezogene Dienste“ weiter.
Über viele Jahre prägte Michael Sturm diese Arbeit, die mittlerweile von der Berliner Geschäftsstelle aus gemanagt wurde. Zu den jährlichen Solidaritätskonferenzen der Gossner Mission, an denen Sozialwissenschafter:innen, Gewerkschafter:innen und Arbeitsloseninitiativen teilnahmen, lud Michael Sturm immer auch und vor allem die Marginalisierten, die Menschen „von unten”, ein. Sie sollten selbst zu Wort kommen und eine Stimme haben.