Gossner Mission Geschichte, Bekennende Kirche

Aktiv in der Bekennenden Kirche

Während der Nazi-Diktatur bezieht die Gossner Mission Position: auf Seiten des Widerstandes und der Bekennenden Kirche. Die Folge: Die Zeitschrift wird verboten, der Direktor mehrfach verhaftet. Trotzdem rettet die Gossner Mission Menschen vor der Deportation. Eine Stolperschwelle zeugt heute davon.   

Beinah wäre es in Vergessenheit geraten: Während des Nazi-Regimes engagierte sich die Gossner Mission als Teil des kirchlichen Widerstandes – und gewährte zwischen 1938 und 1945 verfolgten Mitbürger:innen Zuflucht im Missionshaus in der Berliner Handjerystraße. Darunter waren viele Menschen jüdischen Glaubens sowie Menschen, die zum Christentum konvertiert waren. Darauf wurde 2013 eine Anwohnerinitiative in der Handjerystraße aufmerksam, als sie  das Schicksal ihrer früheren Nachbarn recherchierte.

1933 hatte sich in der evangelischen Kirche Widerstand gegen den Nazi-Terror firmiert. Es entstand die Bekennende Kirche, die mit ihrer Theologischen Erklärung von Barmen 1934 betonte, dass Christus die einzige Richtschnur des Handelns sei. Die Gossner Mission schloss sich der Bekennenden Kirche an. Prägend in dieser Zeit waren Eberhard Bethge, ein enger Freund Dietrich Bonhoeffers, Horst Symanowski sowie Missionsdirektor Hans Lokies. Auseinandersetzungen mit der Gestapo führten dazu, dass Lokies mehrfach in Haft kam und die Missionszeitschrift der Gossner Mission zeitweise verboten war.

Trotz mehrerer Hausdurchsuchungen blieb das Missionshaus ein geistliches Zentrum der Bekennenden Kirche – im Stadtteil Friedenau und bald für ganz Berlin. In dem 1935 angebauten Kirchsaal fanden die Gottesdienste statt, an denen auch Dietrich Bonhoeffer wiederholt teilnahm.

Unter den Augen der Gestapo

Und: Im Kirchsaal fanden, wie Hans Lokies später schrieb, weiterhin „die Gedemütigten und Erniedrigten jener Zeit ihre Zuflucht: unsere christlichen Schwestern und Brüder aus Israel. Nach und nach wurden ihnen alle Gemeindehäuser und Kirchen Berlins verschlossen. Wo sollten sie anders bleiben als in einem Missionshause? So ist denn die Bekennende Gemeinde in Friedenau Sonntag um Sonntag, oft unter den Augen der Gestapo, mit der kleinen Schar nichtarischer Christen Berlins, die von Monat zu Monat kleiner wurde, zum Gottesdienst und zum Abendmahl gegangen.“

Der Missionsdirektor weiter: „Einmal, mitten im Kriege, wurde eine Schar – fast möchte man sagen eine Karawane – von Brüdern und Schwestern aus Israel, vom Säugling bis zum Greis, in den Tod und in das Leben Jesu Christi hineingetauft, ehe sie nach Theresienstadt oder Auschwitz kamen. Es waren 60 Täuflinge....“

Bei diesen 60 und bei vielen anderen konnte der Missionsdirektor nur hilflos zusehen. Bei anderen aber gelang es ihm, gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Horst Symanowski, Pässe für eine Ausreise zu besorgen oder von der Deportation Bedrohte ins Hinterland, nach Ostpreußen, zu bringen. Isolde und Horst Symanowski nahmen gar in ihrem eigenen Zuhause Verfolgte auf und wurden dafür 50 Jahre später als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt, mit einem Titel, den die israelische Gedenkstätte Yad Vashem vergibt.

An der Stelle aber, an der früher das Missionshaus stand, liegt heute eine „Stolperschwelle“ – analog zu den Stolpersteinen, die seit 1992 von Künstler Gunter Demnig verlegt werden. Die Steine sind für individuelle Opfer des Nazi-Regimes bestimmt. Mittlerweile erinnern 35.000 Stolpersteine in über 600 deutschen Städten an Menschen, die Opfer der Judenvernichtung wurden. Für die Aktivitäten der Gossner Mission in der Handjerystraße ließ die Anwohnerinitiative eigens eine Stolperschwelle anfertigen.