Skulptur als Symbol für Toleranz und Vielfalt

Bethlehemskirche heute. © Gerd Herzog

Andacht erinnert an Geschichte der Bethlehemskirche

Eine Andacht rückt sie erneut in den Mittelpunkt: die Bethlehemskirche. Urspünglich für Glaubensflüchtlinge aus Böhmen erbaut, wurden hier später die ersten Gossner-Missionare ausgesandt. Nun droht zum zweiten Mal der Abriss. 

Die Geschichte der Berliner Bethlehemskirche ist spannend – und kompliziert. 1737 erbaut, sollte sie Glaubensflüchtlingen aus Böhmen als geistliches Zuhause dienen. Denn zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert hatten zahlreiche protestantische Gläubige wegen ihres religiösen Bekenntnisses ihre Heimat verlassen müssen. Der preußische König Friedrich Wilhelm I. nahm sie auf und schenkte ihnen das Baumaterial für ein Gotteshaus. 

Johannes E. Goßner sandte hier Missionare aus

1829 wurde Johannes Evanglista Goßner Pfarrer der Berliner Bethlehemsgemeinde. Hier sandte er die ersten Missionare aus; hier entstanden die Pläne für die Gründung der Ev. Elisabeth-Klinik; hier wuchs und gedieh die Gossner Mission…

Die Kirche aber wurde im Zweiten Weltkrieg weithin zerstört – und ihre Mauern in der DDR komplett abgetragen. 

Die Geschichte der Kirche rückte erst 2012 wieder ins Bewusstsein der Bevölkerung: Der spanische Künstler Juan Garaizabal ließ das Gebäude in Form einer 30 Meter hohen, beleuchteten Stahlskulptur wieder auferstehen. Ihr Titel: „Memoria Urbana“. Dünne Metallstreben zeichnen nun die architektonischen Linien der Kirche nach, ohne sie zu rekonstruieren – ein bewusst offener Umgang mit historischer Erinnerung.

Skulptur Memoria Urbana will erinnern und mahnen

Doch die Skulptur will nicht nur erinnern, sondern auch mahnen. Sie verweist auf die Geschichte religiöser Toleranz, Vielfalt und Integration in Berlin. Im Fundament der Installation sind die Worte des früheren tschechischen Präsidenten Václav Havel eingraviert: „Never hope against hope.“ Auch diese unterstreichen den politischen und symbolischen Anspruch der Skulptur als Zeichen von Versöhnung, Hoffnung und kultureller Verbindung.

Bis heute besuchen zahlreiche internationale Delegationen den Bethlehemkirchplatz – etwa aus Südkorea, Uganda und vor allem aus Indien, von der dortigen Gossner Kirche, die auf die Bemühungen Johannes E. Goßners zurückgeht. 

Und doch forderte das Bezirksamt Berlin-Mitte im Dezember 2024 den Abbau der Skulptur. Sie begründete dies mit der ursprünglichen Genehmigung als „temporäres Kunstwerk“. Kunst im öffentlichen Raum solle nach zwei Jahren durch neue Arbeiten ersetzt werden. „Memoria Urbana“ steht allerdings bereits seit 2012 an ihrem Ort, zunächst geduldet, später mehrfach verlängert, zuletzt bis 2025.

300 Jahre böhmische Mitbürger:innen in Berlin

Die Forderung nach Entfernung der Skulptur sorgte für diplomatische Spannungen. Der tschechische Botschafter Jiří Čistecký zeigte sich im Berliner Tagesspiegel „bestürzt“. Er verwies auf die Bedeutung der Skulptur für die deutsch-tschechische Freundschaft. Gerade mit Blick auf das 30. Jubiläum der Städtepartnerschaft zwischen Berlin und Prag sei der Abrissantrag unverständlich. 

Geistliche Impulse, Lesungen, Grußworte und Musik: Am Mittwoch, 25. Juni, um 19 Uhr lädt nun eine öffentliche Veranstaltung unter dem Motto „30 Jahre Städtepartnerschaft Berlin/Prag – 300 Jahre Böhmen in Berlin“ auf den Bethlehemkirchplatz ein. Ziel: ein Zeichen setzen gegen Geschichtsvergessenheit und Engstirnigkeit – und für das vielfältige Berlin.

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