Mit Leidenschaft für die Menschen

Gottfried Kraatz
Gottfried Kraatz. © Gerd Herzog

Mutig – stark – beherzt: Gottfried Kraatz

In der DDR rief er zum Wiederstand auf; in Südafrika kämpfte er gegen die Apartheid; wurde inhaftiert und ausgewiesen. Gottfried Kraatz, früherer Gossner-Direktor, blickt auf ein bewegtes Leben zurück.

Lächelnd, bescheiden, freundlich. Wer Gottfried Kraatz heute kennenlernt, der ahnt nicht, dass der 83-Jährige viel Schweres hat durchmachen müssen. Und sich davon nie beirren ließ. Sein Leben lang setzte er sich für Benachteiligte und Unterdrückte ein. 

Gottfried Kraatz wird 1941 in Halle (Saale) geboren. Er wächst in einem Pfarrhaus auf. Aber Christentum und Kirche werden in der jungen DDR diskriminiert. Dies bekommt er bald zu spüren – durch Hänseleien von Gleichaltrigen und Anfeindungen durch die Lehrer. Das allerdings fordert eher seinen Trotz heraus. Zumal er Bevormundungen ohnehin nicht mag. Als Zwölfjähriger ruft er seine Schulklasse zu aktivem Widerstand am 17. Juni 1953 auf.

Das hat Folgen. Mit 15 wird sein Ausweis beschlagnahmt, die Oberschule wird ihm verweigert. Als er in einen Jugendwerkhof eingewiesen werden soll, setzt er sich allein nach Westberlin ab, wo er in einem kirchlichen Schülerheim Aufnahme findet. Nur einmal im Jahr erlauben es ihm die DDR-Behörden, seine Eltern und die Geschwister zu besuchen. 

Lebenslanges Engagement für Frieden und Gerechtigkeit

Nach dem Abitur lockt erst mal die weite Welt. Mit Fließbandarbeit verdient er sich das Startkapital. Der 19-Jährige macht sich per Anhalter auf nach Indien und weiter nach Australien. Abenteuer, Freiheitsdrang, Lust auf Welterfahrung und die Suche nach Gott in den Religionen – das treibt ihn fast zwei Jahre lang durch die Welt. 

Nach seiner Rückkehr studiert er Theologie und nimmt dann als Pfarrer die Arbeit in einer Berliner Gemeinde auf, die sich intensiv um Obdachlose kümmert. Engagement für andere, für Frieden und Gerechtigkeit – es wird sein Lebensthema. 

1981 erhält der junge Pfarrer vom Berliner Missionswerk den Auftrag, nach Kapstadt zu gehen, um für die schwarze Evangelisch-Lutherische Kirche in dem damaligen Apartheidstaat eine Gemeinde in einer neuen Township aufzubauen. Mit seiner Frau und vier Kindern bricht er nach Südafrika auf. 

In Südafrika inhaftiert und ausgewiesen

Dort bleibt es nicht bei der Gemeindearbeit. Bald schon setzt er sich in den „illegalen“ Siedlungen für Schwarze ein, die vor Deportationen geschützt werden müssen. Er engagiert sich zudem in der UDF (United Democratic Front) und in anderen Gruppen, die im Widerstand gegen das Apartheidregime aktiv sind. Das hat Konsequenzen: Im Spätherbst 1985 wird er verhaftet und in das berüchtigte Gefängnis Pollsmoore bei Kapstadt eingeliefert. Zeitweise tritt er dort in Hungerstreik. 

Sieben Wochen ist Gottfried Kraatz in Haft, anschließend unter Bann. Gemeinsam mit seiner Familie wird er aus dem Land ausgewiesen, geht aber zunächst in den Untergrund, um den gewaltlosen Widerstand von dort aus durch seine Predigten zu unterstützen.

Zurück in Berlin wird Gottfried Kraatz Superintendent im Kirchenkreis Zehlendorf. Hier engagiert er sich weiter gegen das Apartheidregime und für das Antirassismus-Programm des Ökumenischen Rates (ÖRK).

Neue Zeit mit neuen Herausforderungen

Und dann wird er 1996 zum Direktor der Gossner Mission gewählt. Gossner-West und Gossner-Ost sind wieder vereint. Das Gossner-Haus in der Berliner Handjerystraße ist verkauft und die Geschäftsstelle ins frühere Ost-Berlin verlegt worden. Die Gesellschaftsbezogene Arbeit in Berlin, in den Arbeitervierteln dieser neuen Großstadt, hat begonnen. Es wartet eine gewaltige Aufgabe in einer neuen Zeit mit neuen Herausforderungen. Der 55-Jährige nimmt sie an.

Seit 2006 ist er im Ruhestand. Aber er bleibt an der Seite von Menschen, die ihn brauchen. Etwa als Notfallseelsorger. Vier Mal lässt er sich zudem als Ökumenischer Freiwilliger nach Jerusalem, Bethlehem und Yanoun entsenden, um dort Bedrängten in alltäglichen Konfliktsituationen beizustehen. Es sind Einsätze, die ihn tief bewegen. Der Entsendeorganisation EAPPI ist er bis heute eng verbunden. Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden auch hier – in der Konfliktregion des Nahen Ostens; eine Aufgabe, die aktueller ist denn je.

Große Empathie für die Mitmenschen

Seine Erfahrungen, sein Mut, sein Engagement für Frieden und Freiheit, für Wahrheit und Gerechtigkeit, seine Empathie für die Mitmenschen – all das hat Gottfried Kraatz tief geprägt. Und das spürt man bei jeder Begegnung mit ihm.

„Mutig – stark – beherzt“: So lautet das Motto des Deutschen Evangelischen Kirchentags in Hannover, der am 30. April beginnt. 

„Mutig – stark – beherzt“: So lautet auch das Schwerpunktthema der Ausgabe 1/2025 der Gossner-Zeitschrift. Das Heft stellt Menschen aus dem Gossner-Umfeld vor, die sich mutig-stark-beherzt für ihre Mitmenschen einsetzen, die gegen Armut und Ungerechtigkeiten aufstehen. Gottfried Kraatz ist einer von ihnen. 

Lesen Sie hier die komplette Ausgabe „Gossner. 1/25“ (PDF) >>

Zum Gossner-Programm beim Kirchentag 2025 >>