Mädchen und Frauen neue Zuversicht schenken

Zu Gast in Nepal
Gossner-Gäste in Nepal.

Gossner-Delegation besuchte Projekte in entlegenen Regionen

Zwei Wochen lang besuchte eine kleine Gossner-Delegation Projekte und Partnerorganisationen in Nepal. Zum ersten Mal dabei: Johannes Heymann, seit Februar Koordinator für die Indien- und Nepalarbeit. Im Gespräch blickt er zurück auf Höhepunkte der Reise und beleuchtet Herausforderungen der Nepalarbeit.

Herr Heymann, Sie waren mehr als zwei Wochen in Nepal unterwegs. Dabei haben Sie unter anderem ein Projekt besucht, das die Gossner Mission erst seit Beginn des Jahres unterstützt: Bei „ReLive“ geht es um Klimawandel und um Existenzsicherung. Können Sie das näher erläutern? 

Johannes Heymann: Im Fokus der Reise standen Programme und Projekte, die unsere Partnerorganisation UMN (United Mission to Nepal) vor Ort umsetzt und die von der Gossner Mission mitfinanziert werden. Das Projekt „ReLive“ unterstützt randständige und sozial benachteiligte Menschen dabei, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Zum Beispiel stellt die UMN Materialien für den Bau von Ziegenställen zur Verfügung, sodass diese Tiere vor Raub oder anderen Gefahren geschützt sind. Wichtig zu wissen: Die Ziegen sind für viele Frauen, die nach der Abwanderung ihrer Männer nach Indien ganz auf sich allein gestellt sind, die einzige Einnahmequelle. ReLive fokussiert aber auch Maßnahmen, die die Auswirkungen des Klimawandels abmildern sollen. So wurden kleinere Staudämme und Entwässerungsgräben finanziert, die die immer häufiger auftretenden Überflutungen regulieren und so die Ernte retten. Das sichert das Überleben der Menschen in dieser armen Region! Das ReLive-Programm haben wir insbesondere im Tiefland des Terai begutachten können. 

Und danach ging es in die Berge.

Johannes Heymann: Ja, als zweites UMN-Projekt konnten wir im bergigen Westen des Landes, im Bezirk Doti, das Gesundheitsprogramm IHS in Augenschein nehmen. Dort ermöglicht die UMN mit ihren lokalen Partnern eine grundlegende Gesundheitsversorgung der Menschen in dieser enorm abgelegenen Region. Es geht vor allem um Hilfe für Frauen und Mädchen sowie für psychisch Kranke. Sie erfahren ganz konkret Unterstützung! Man kann sagen, dass die UMN dort einspringt, wo es dem Staat an finanziellen oder menschlichen Ressourcen fehlt. Es sind gut gedachte Programme, die vor Ort mit Leben gefüllt werden und dann auch zu guten Resultaten führen. Sehr beeindruckend! Und sehr wichtig, dass wir diese Gesundheitsarbeit unterstützen! 

Mädchen und Frauen finden Schutz und Zuflucht

Auch in Kathmandu haben Sie ein Projekt besucht, das die Gossner Mission erst seit kurzem unterstützt – und das ebenfalls die Situation von Frauen und Mädchen verbessert. 

Johannes Heymann: Wir konnten mehrere Mädchen und Frauen vor Ort sprechen. Einige hatten ihre Eltern verloren oder häusliche Gewalt erlebt; und sie alle leben in größter Armut! Unsere Partnerorganisation NMBS (Nepal Mahila Bishwasi Sangh) stellt ihnen geschützte Räume zur Verfügung und finanziert ihnen eine Ausbildung. Gäbe es das Projekt nicht, dann hätten diese Mädchen und Frauen eine düstere Zukunft. So aber finden sie Schutz und Zuflucht und Perspektiven! Wir haben zum Beispiel zwei Mädchen kennengelernt, die täglich einen Schulweg von 20 Kilometern zu Fuß auf sich nehmen, um später einmal im Gesundheits- oder Bildungswesen zu arbeiten. Trotz der Armut und den schlimmen Erfahrungen haben sie enormen Lebensmut und enorme Zuversicht! Es tut gut, das erleben zu dürfen.

Insgesamt ein recht anstrengendes Programm bei der ersten Dienstreise nach Nepal?

Johannes Heymann: Richtig körperlich anstrengend waren vor allem die langen Fahrten im Westen des Landes: über steinigste Holperpisten, die von den Nepali scherzhaft „dancing roads“ genannt werden – zu Recht. Aber man wird durch die atemberaubende Berglandschaft, durch Kathmandus Architektur und durch die enorme Gastfreundlichkeit der Nepali für die vielen Strapazen entschädigt.

Abwanderung nach Indien als große Herausforderung

Sie haben vor zwölf Jahren ein Freiwilligenjahr in Indien bei der Gossner Kirche absolviert und danach Indien mehrfach besucht. Wie haben Sie nun Nepal erlebt? 

Johannes Heymann: In der Tat kamen mir viele Dinge vertraut vor. Mit Hindi konnte ich immer wieder problemlos kommunizieren und ein bisschen Nepali habe ich mir auch draufschaffen können, was den Umgang vor Ort natürlich erleichtert. Dennoch: Nepal ist ein eigenständiges Land, mit einer eigenen faszinierenden Geschichte und vielfältigen Kulturen, und das merkt man auch! Es war deswegen enorm wichtig, mit meiner Vorgängerin Karin Döhne, die die Reise ja vorbereitet hatte und begleitete, eine so ausgewiesene Kennerin des Landes dabei zu haben. Zumal sie ja auch wunderbar Nepali spricht. 

Welche Unterschiede im Hinblick auf das Nachbarland Indien würden Sie benennen? Wo gibt es ähnliche Entwicklungen, Tendenzen?

Johannes Heymann: Mit Blick auf unsere Arbeitsgebiete vor Ort sehe ich Parallelen zu Indien insbesondere in den Zielgruppen. Es sind vor allem Frauen und junge Menschen am sozialen Rand der patriarchalischen und ungerechten Gesellschaft, die unsere Hilfe benötigen. Weitere Gemeinsamkeiten zwischen Indien und Nepal ergeben sich schlicht aus der politischen Realität. Vieles, was in Indien an politischen Maßnahmen getroffen wird, wird nach ein paar Jahren in Nepal auch implementiert. Dazu gehören etwa strengere Regeln für die internationalen NGOs und eine wachsende – sagen wir – Skepsis gegenüber christliche Organisationen. Das macht natürlich Sorgen. Andererseits gibt es aber enge Kooperationen zwischen Regierungsstellen und unseren christlichen Projektpartnern in Nepal. Zumindest auf der Distriktebene und darunter läuft da vieles Hand-in-Hand und sehr respektvoll ab. 

Weitere Unterschiede? 

Johannes Heymann: Eine Herausforderung speziell in der nepalischen Gesellschaft ist die massenhafte Arbeitsmigration insbesondere junger Männer. Indien und die Golfstaaten sind hier die Hauptzielländer. Ein großer Anteil des Bruttosozialprodukts Nepals entstammt den Überweisungen dieser Emigranten. Diese demographische Entwicklung kann für die zurückbleibenden Mädchen und Frauen Chancen, aber auch neue Herausforderungen bedeuten. Unabhängig von der Gender-Thematik konnten wir sehen, wie in den abgelegeneren Bergregionen ganze Kulturlandschaften verlassen wurden. Ein bisschen fehlt mir da die Fantasie, welche Zukunft es für diese Gegenden geben soll, denn ihre Bewohner sehen sie offensichtlich nicht dort. 

Was hat Sie auf der Reise am meisten beeindruckt?

Johannes Heymann: Da kann ich jetzt gar nicht so schnell aus den vielen beeindruckenden Erlebnissen eines herausfiltern. Wir alle waren auf jeden Fall immer weder beeindruckt davon, wie unsere Fahrer in den Bergen in Nepals Westen mit den, nun ja, „Straßen“ umgegangen sind. Wenige Millimeter von den steilsten Hängen entfernt und mit enormem Kraftaufwand über brachiale Felsen fahrend, lachten sie, machten Scherze und gaben uns so immer ein Gefühl von Sicherheit.

Klimawandel und Existenzsicherung: Mehr dazu >>

Mehr zum Gesundheitsprojekt im Bezirk Doti >>