Die Patentante von Sisi wird Goßners Gönnerin
Sie stammte aus Bayern, war tolerant, lebensfroh und katholisch – und fühlte sich ihrem Landsmann Johannes E. Goßner im protestantischen Preußen eng verbunden: Kronprinzessin Elisabeth.
Am 14. Dezember 2023 jährt sich der Geburtstag Johannes Evangelista Goßners zum 250. Mal. Anlass für die Gossner Mission, dem Wirken ihres Gründers verstärkt nachzuspüren: Teil 5 unserer Reihe „#250Jahre Goßner“.
Aus Bayern ins strenge Preußen
Prinzessin Elisabeth Ludovika von Bayern ist Tochter des bayerischen Königs Maximilian I. und Patentante von „Sisi“, der berühmten späteren Kaiserin Österreichs, die nach ihr Elisabeth genannt wird. Elisabeth, von der Familie liebevoll „Elise“ genannt, wächst in einer toleranten und liebevollen Umgebung auf. Von München aus zieht die Katholikin 1823 nach Berlin, um den dortigen Thronfolger, Friedrich Wilhelm IV., zu heiraten. Als seine Ehefrau soll sie später Königin im weitgehend protestantischen Preußen werden.
Zuvor allerdings hat es vier Jahre lang diplomatische Bemühungen gegeben. Erst dann wird eine Kompromissformel gefunden, nach der Elisabeth – wie von ihr gewünscht – ihre Konfession zwar zunächst beibehalten kann, sich aber verpflichtet, Unterricht in den protestantischen Glaubenslehren zu nehmen. Erst sieben Jahre nach ihrer Hochzeit tritt sie zum evangelischen Glauben über.
Wesensverwandt: Prinzessin Elisabeth und Goßner
Vor diesem Hintergrund ist es für Elisabeth nicht leicht, von der Bevölkerung ihrer neuen Heimat akzeptiert werden. Daher wird ihr empfohlen, sich möglichst volksnah und hilfsbereit zu präsentieren und sich für die arme Bevölkerung einzusetzen. So lernt Johannes Evangelista Goßner die Prinzessin schon bald nach seinem Umzug nach Berlin kennen und schätzen. Zumal es ja einige Parallelen gibt: Beide bringen einen bayerischen, katholischen Hintergrund mit und beide tun sich mit den Preußen manchmal recht schwer…
1833 initiiert Goßner den ersten Krankenbesuchsverein in Berlin. Kurze Zeit später bereits ist es sein Ziel, ein Krankenhaus zu gründen. Nach langer Suche wird ihm ein bebautes Grundstück am Potsdamer Tor angeboten. (Mehr: Goßner – Ein Segen für Kranke und Bedürftige)
Für das Grundstück muss Goßners Frauen-Kranken-Verein 22.000 Taler zahlen. Der Überschuss des Vereins beträgt allerdings nur etwa 15 Taler pro Jahr. Um den Kauf bestreiten zu können, schlägt Goßner zwei Wege ein: Erstens veröffentlicht er fortan Spendenlisten, in denen die Geldgeber mit Namen aufgeführt sind. Daraufhin steigen die eingehenden Spenden merklich an.
Königshaus unterstützt Goßners Krankenhaus
Zweitens wendet sich Goßner an Kronprinzessin Elisabeth und an ihren Schwiegervater, König Friedrich Wilhelm III., und bittet um Unterstützung. Mit Erfolg: Der König gibt 6000 Taler, und auch die Kronprinzessin spendet Geld an den Frauen-Kranken-Verein. Aus Dankbarkeit wird Goßner sie später fragen, ob der Verein das neue Krankenhaus nach ihr benennen darf. Elisabeth willigt ein. So entsteht das „Elisabeth-Krankenhaus“ am Potsdamer Tor.
Sicher, das Eintreten der Prinzessin für das Krankenhaus und für andere wohltätige Vereine dürfte mit politischem Kalkül zu tun habne. Die Spendenbereitschaft des Königshauses ist Teil eines politischen Programms zur Bekämpfung der massenhaften Armut in den Städten Preußens. Im Kabinettsbefehl vom 13. November 1843 fordert der König dazu auf, „sich der verwahrlosten und der nötigen Aufsicht entbehrenden Kinder (...) und der in Not geratenen Armen anzunehmen und Vereinsbildungen anzuregen zur Minderung oder zur Abwehr des Pauperismus oder der Abwehr (...) des sittlichen und sozialen Verderbens.“
Gemeinsames Eintreten für Arme und Kranke
Die beschriebene Verarmung ist Folge der rasanten Verstädterung einerseits und der fehlenden sozialen Sicherung für unterbürgerliche Schichten andererseits. Zu den von Armut und Krankheit bedrohten Menschen zählen Dienstboten, Kleinhandwerker, Tagelöhner, Kutscher, alleinerziehende Frauen und Witwen sowie deren Kinder.
Die Gründung wohltätiger Vereine kommt in den Berliner Kirchengemeinden sowie in den Lesezirkeln, Salons und Klubs im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts sehr in Mode. Es existieren Vereine für Dienstmädchen und Witwen von Dienstboten, für arme Schulkinder und Zöglinge von berufstätigen Eltern. Nach demselben Muster haben Johannes E. Goßner und einige Anhänger den Frauen- und den Männer-Kranken-Verein gegründet.
Die meisten Gründer und Unterstützer der Vereine gehören dem gehobenen Bildungsbürgertum oder dem niederen und mittleren Adel an. Zu den Gründungsmitgliedern im Goßnerschen Frauen-Kranken-Verein zählen allerdings auch Handwerker.
Bis in die 1880er Jahre beschränkt sich die Bekämpfung des Pauperismus in Preußen im Wesentlichen darauf, kirchliche und bürgerliche Wohlfahrtsvereine zu unterstützen. Das erste städtische Krankenhaus in Berlin wird erst 1874 eröffnet, während Johannes Evangelista Goßner bereits 1836 die Gründung des ersten evangelischen Krankenhauses Berlins betrieben hat.
Heute: Evangelische Elisabeth-Klinik
Das Elisabeth-Krankenhaus besteht bis heute: Unter dem Namen Evangelische Elisabeth-Klinik gehört es heute zur Johannesstift-Diakonie.
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Quelle u.a.: Geschichte der Evangelischen Elisabeth Klinik Berlin, 2012