Goldener Traum schnell geplatzt

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Nchimunya Mandevu. © Gerd Herzog

Nchimunya Mandevu: Von Sambia nach Brandenburg

Sie kam mit einem „goldenen Traum“ nach Deutschland – und musste ihre Vorstellungen sehr schnell revidieren: Nchimunya Mandevu leitet daheim in Sambia das KDF- Jugendzentrum; zurzeit arbeitet sie als Freiwillige in Brandenburg. Ein Interview.


Warum ein Freiwilligenjahr, warum Deutschland?

Nchimunya Mandevu: Ich will lernen, wie andernorts Dinge getan werden, ich will eine andere Kultur kennenlernen. Ich bin in den letzten Jahren vielen Freiwilligen begegnet, die über die Gossner Mission und andere Organisationen nach Sambia gekommen sind. Sie unterstützen dort unser Jugendzentrum. Ich will wissen, wie Deutschland funktioniert – politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich. Und ich will wissen, woher die Ressourcen kommen, dank derer wir unser Jugendzentrum betreiben können.

Was haben Sie vorher über Deutschland gewusst?

Nchimunya Mandevu: Ich bin in Sambia nur interessierten und interessanten Deutschen begegnet. Ich dachte, das ganze Land müsse so sein wie diese Freiwilligen. Ich dachte, Deutschland sei der Himmel! (lacht)

Wie hat Sie überrascht nach Ihrer Ankunft in Deutschland?

Nchimunya Mandevu: Die Pünktlichkeit der Busse und der U-Bahn und die Bürokratie – oh mein Gott! Die Deutschen sind sehr organisiert und arbeiten nach der Uhr. Man bekommt eine Aufgabe und erledigt sie in der festgesetzten Zeit; so funktioniert das Transportsystem, so funktionieren die Deutschen. Alles ist wohlorganisiert, jeder kann erledigen, was er gerade will, und dort ankommen, wohin er gerade will. Das ist in Sambia ganz anders. Mich beeindruckt auch der Gemeinsinn, den viele Menschen haben. Zum Beispiel, wenn es um Umweltschutz geht. Und: In Sambia gibt es kein Bewusstsein dafür, zu teilen. Mit Menschen zu teilen, die man nicht kennt. Mit einem Kreis von Freunden und Verwandten teilt man gerne, aber nicht darüber hinaus. Ich habe das Gefühl, auch das ist in Deutschland anders.

Verglichen mit europäischen Ländern nehmen afrikanische Länder, beispielsweise Uganda, prozentual viel mehr Flüchtlinge auf. Widerspricht das nicht Ihrer Erfahrung, dass die Menschen nur im engsten Kreis teilen wollen?

Nchimunya Mandevu: Ja, es gibt eine große Willkommenskultur für Fremde und Gäste, wir haben große Herzen für Menschen in Not. Aber das erlebe ich auch in Deutschland. Besonders, wenn man erst mal angekommen ist, wenn man erst einmal integriert ist. Was nicht ganz einfach ist. Zugegeben. Viele Deutsche, so mein Gefühl, haben nicht gelernt, auf Fremde zuzugehen, den ersten Schritt zu machen. In Sambia lernen wir das von klein auf. Bei uns kann man sicher sein, dass die Menschen reden wollen – trotz aller Sprachbarrieren, die es geben mag. In Deutschland kommt es darauf an, ob man Deutsch spricht. Andererseits zeigen viele Deutsche großes Interesse für andere Länder, auch für Sambia. Wenn ich von meinen Ideen für unser Jugendzentrum erzähle, sind alle sehr interessiert und geben Ratschläge. Ich höre manchmal, Deutsche seien engstirnig. Das habe ich ganz anders erlebt. Die Deutschen, die ich kenne, denken sehr viel an Menschen in anderen Regionen der Welt. Und sie sind bereit zu teilen.

Gab es in Deutschland auch eine unangenehme Überraschung?

Nchimunya Mandevu: Rassismus. Das war eine große Überraschung für mich.  Ich wollte gerade mein Fahrrad am Bahnhof in Biesenthal (Brandenburg) abholen, als mich zwei Betrunkene anschrien, mich beleidigten und mein Fahrrad festhielten. Diese Begegnung hat mich lange Zeit verfolgt; erst nach zwei Wochen konnte ich überhaupt darüber sprechen. Dazu kam, dass ich zu dieser Zeit noch kaum Kontakt zu den Kindern im Jugendzentrum gefunden hatte, weil sie mich nicht verstanden. Und ich sie nicht. Manchmal fühle ich mich auch unwohl, als einzige schwarze Person im Bus zu sitzen. Niemand will sich neben mich setzen, obwohl alle anderen Plätze besetzt sind. Manche Leute stehen lieber, als sich neben mich zu setzen, so mein Eindruck. Ich bin sehr froh, dass ich sehr schnell ein Netz von Freunden aufbauen konnte. Menschen auf meiner Arbeit, Menschen aus der Kirche, Menschen aus meiner Heimat. Mit denen ich darüber sprechen kann und die mich unterstützen.

Was nehmen Sie mit nach Hause, zu den Kindern im Jugendzentrum?

Nchimunya Mandevu: Ich werde allen davon erzählen, wie ich die reiche Welt erlebt habe. Denn ich lebe in der armen Welt. Hier in Deutschland braucht man keine Anstöße von außen. Die Menschen haben alles, was sie brauchen, wissen über alles Bescheid, auch über schwierige Themen wie den Schutz der Kinder vor Missbrauch. Vieles, das ich hier schätzen gelernt habe, werde ich an die Bedingungen in Sambia anpassen müssen: Womit können die Kinder und Jugendlichen dort etwas anfangen? Jedenfalls lerne ich hier sehr viel – und das Gelernte kann ich dann zu Hause in Sambia weitergeben. Das ist wichtig für die Kinder und Jugendlichen dort!

Ein Beispiel?

Nchimunya Mandevu: Hier in Deutschland esse ich nur noch alle zwei Wochen Fleisch. In Sambia habe ich fast jeden Tag Fleisch gegessen. Wenn man in Sambia nur Gemüse isst, bedeutet das, dass man zu den Armen gehört, die sich kein Fleisch leisten können. Niemand denkt daran, dass Gemüse gut für die Gesundheit und gut für die Umwelt ist. Das möchte ich ändern.

Was würden Sie anderen Jugendlichen aus Sambia raten, die für ein Jahr nach Deutschland gehen?

Nchimunya Mandevu: Dass sie keinen goldenen Traum von Deutschland haben. So wie ich, bevor ich hierher kam. Sondern ein realistisches Bild. Und ich würde ihnen raten, ganz schnell Deutsch zu lernen: Das ist der einzige Weg in die Gesellschaft. Außerdem würde ich sie darauf vorbereiten, dass die erste Zeit ganz schön hart sein kann.

 

Nchimunya Mandevu leitet in Sambia das Jugendzentrum der Gossner-Partnerorganisation Kaluli Development Foundation (KDF). Seit 2022 lebt sie als Süd-Nord-Freiwillige in Biesenthal bei Berlin, wo sie das Jugendzentrum „Kulti“ unterstützt. Das Interview führte Gerd Herzog, Mitarbeitender im Öffentlichkeitsreferat.

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