Goßner: Ein Segen für Kranke und Bedürftige

Tafel an der Eisabeth Klinik Berlin. Gegründet 1837 durch Johannes E. Goßner.
Tafel an der Eisabeth Klinik. © Jutta Klimmt

Johannes E. Goßner: Aktiv gegen das Elend der Menschen

3400 Suppenmarken, dazu Bettwäsche, Kleidung, Holz zum Heizen: In Berlin sah Johannes E. Goßner das Elend der Menschen – und handelte! 1833 gründet er den ersten Krankenbesuchsverein, später das erste evangelische Krankenhaus der Stadt.

Am 14. Dezember 2023 jährt sich der Geburtstag Johannes Evangelista Goßners zum 250. Mal. Anlass für die Gossner Mission, dem Wirken ihres Gründers verstärkt nachzuspüren: Teil 4 unserer Reihe „#250Jahre Goßner“.

Ein Blick ins frühe 19. Jahrhundert. Es sind die Jahrzehnte, in denen sich die traditionelle Ständeordnung auflöst. Es folgt eine rasante Industrialisierung – und Massenarmut in den Städten. Berlin wächst rasant, mit entsprechenden Folgen: Wohnungsnot, Hunger, Kinderarbeit.

Ab 1826 erlebt Goßner die Massenarmut in Berlin

In dieses Berlin kommt Johannes Evangelista Goßner 1826. Er ist konfrontiert mit den sozialen Missständen der wachsenden Stadt und erlebt das Elend der Menschen in den Vorstädten hautnah. 1833 wird er zu einem Kranken gerufen, dem Diener einer befreundeten Familie. Goßner mobilisiert einen Arzt und mehrere Männer, die bei der Pflege helfen sollen. Doch die Hilfe kommt zu spät.

So beschließen die Helfer gemeinsam mit Goßner, einen Verein zu gründen: Sie wollen arme und kranke Männer in Goßners Kirchengemeinde pflegen und ihnen Trost spenden.

Suppenmarken, Bettwäsche und Holz für kranke Frauen

Wenige Wochen später finden sich bei Goßner mehrere Frauen ein, die einen „Frauen-Krankenverein“ gründen. Goßner ruft in der Gemeinde zu Spenden auf – und ist vom Erfolg selbst überrascht. Im ersten Jahr bereits kann der Verein 190 bedürftigen Frauen materielle und seelsorgerische Unterstützung zukommen lassen. Die freiwilligen Helferinnen verteilen 3400 Suppenmarken, dazu Bettwäsche, Kleidung, Holz und Torf zum Heizen.

Die Zahl der versorgten Kranken steigt rasch an. 1835 sind es 350 Frauen, im Folgejahr 380 und im Jahr 1837 bereits 524. Die Helferinnen verteilen bei ihren Besuchen auch Sachspenden: Möbel, Decken, Bettzeug. Doch diese werden von den ebenfalls bedürftigen Angehörigen oftmals eingeheimst.

So stellen die Helferinnen bei ihrem nächsten Besuch erstaunt fest, dass die Kranken immer noch „im gleichen schmutzigen Winkel auf Stroh“ liegen. Was tun? Goßner und der Frauenverein machen sich auf die Suche nach einer Wohnung für die Kranken. 

Särge werden durchs Treppenhaus getragen

Dies ist ein gewaltiger Fortschritt für die Betroffenen: „Die Freude, die die armen Kranken fühlen, wenn sie aus ihren finsteren feuchten Kammern herausgeholt und in die gesunde, reinliche und freundliche Wohnung gebracht werden, ist nicht zu beschreiben“, heißt es in einer zeitgenössischen Darstellung.

Die gefundene Zwei-Zimmer-Wohnung wird daher bald zu eng. Zudem stören sich andere Mieter daran, dass regelmäßig Särge durchs Treppenhaus getragen werden. Todesursache sind Lungentuberkulose, Leberzirrhose, Cholera, Müttersterblichkeit.  

Also erneute Wohnungssuche. Schließlich mit Erfolg: Ein Grundstück vor dem Potsdamer Tor wird dem Verein angeboten. Goßner kennt das Gelände gut, steht doch auf dem Nachbargrundstück sein Gartenhaus, das ihm ein wohlhabender Freund überlassen hat. Hier soll nun ein Krankenhaus entstehen!

Ein Krankenhaus für die Armen der Stadt

Krankenhäuser des frühen 19. Jahrhunderts sind keine offenen Einrichtungen wie heute. Sie sind in erster Linie für arme Menschen gedacht. Das hat soziokulturelle Gründe.

Der Besuch eines Krankenhauses ist für Vertreter des gehobenen Bürgertums und Adels bis zum 20. Jahrhundert nicht vorstellbar. Leidet die Mutter einer bürgerlichen Familie unter einer schweren Krankheit, kümmern sich Familienmitglieder und das Personal um die Patientin. Ein befreundeter Arzt übernimmt die medizinische Versorgung und untersucht die Frau an ihrem Krankenbett. All dies geschieht im Haus der Familie, das selbstverständlich über fließendes Wasser verfügt, an die Kanalisation angeschlossen ist und in dem ausreichend saubere Wäsche vorhanden ist. Das eigene Haus gilt im gehobenen Bürgertum und im Adel als Ort der Genesung von Krankheiten, die man sich außerhalb der eigenen vier Wände, im Schmutz der Stadt, zugezogen hat.

Unter den Armen dagegen ist die eigene Wohnung der Ort, in dem Krankheiten ausbrechen und von dem sich die Frauen erst entfernen müssen, um gesund werden zu können. Viele Krankheiten brechen aufgrund mangelnder Hygiene aus. Vor allem Feuchtigkeit in den Wohnungen und Mangel an fließendem Wasser führen etwa 1831 in Berlin zu einer Choleraepidemie, die verheerende Ausmaße annimmt. 

Für Johannes Evangelista Goßner zeichnet sich nun Mitte der 1830er Jahre ab, dass sein Traum von einem Krankenhaus Wirklichkeit werden könnte…

Herz und Hand, Wort und Tat, Seelsorge und Sozialarbeit. Nach innen und außen. Für Johannes Evangelista Goßner gehört all das untrennbar zusammen. Ein ganzheitliches Konzept zum Wohle der Menschen!

(Fortsetzung folgt.)

Bevor Johannes E. Goßner nach Berlin kommt >>

Mehr zum Leben und Wirken Johannes E. Goßners im Video (8:35 min.) >>

Quelle u.a.: Geschichte der Evangelischen Elisabeth Klinik Berlin, 2012