Adivasi bis heute marginalisiert

Adivasi. Indien. Indigene. Gossner Kirche
Adivasi auf dem Weg zum Feld. © Gossner Mission

Internationaler Tag der indigenen Bevölkerungen der Welt


Die indische Gossner Kirche begeht am 9. August den „Tag der indigenen Bevölkerungen der Welt“. Dieser wurde im Dezember 1994 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen ausgerufen. Die Mitglieder der Gossner Kirche sind zu über 90 Prozent Adivasi (Indigene).

Gossner Mission solidarisch mit Adivasi


„Bis heute werden die Adivasi in Indien benachteiligt“, betont Gossner-Direktor Christian Reiser. „Die indische Verfassung räumt zwar den „Scheduled Tribes“, den amtlich registrierten Völkern, besondere Minderheitenrechte ein. So sieht sie etwa eine Quotierung im Bildungsbereich, im Staatsdienst und in den Parlamenten vor. Doch das ist längst nicht ausreichend. Die Industrialisierung zerstört zunehmend die letzten Rückzugsgebiete. Die Abholzung großer Waldbestände, der Bau von Staudämmen sowie Bergbau und Militäranlagen haben große Teile des Bundesstaates Jharkhand verwüstet und Millionen von Adivasi entwurzelt.“ Armut, Analphabetentum und schlechte Gesundheitsbedingungen bedrohen das Leben der indigenen Bevölkerung bis heute. „Die Gossner Mission steht in Solidarität an der Seite der Adivasi in Indien und setzt sich gemeinsam mit der Gossner Kirche für Gleichberechtigung und bessere Lebensbedingungen ein“, so der Gossner-Direktor.

Gewalt gegen indigene Frauen angeprangert

Der weltweit begangene „Tag der indigenen Bevölkerungen der Welt“ ist in diesem Jahr in besonderer Weise der Rolle indigener Frauen bei der Bewahrung und Weitergabe traditionellen Wissens gewidmet. Dabei soll die zentrale Bedeutung von Frauen als „Rückgrat der Gemeinschaften indigener Völker", als Hüterinnen der natürlichen Ressourcen und Bewahrerinnen von wissenschaftlichem Wissen gewürdigt werden.


Denn verschiedenen Studien zufolge sind indigene Frauen besonders oft Gewalt und Diskriminierungen ausgesetzt – aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Klasse, ihrer ethnischer Zugehörigkeit und ihres sozio-ökonomischen Status´.


In Indien stärkt die Gossner Kirche bewusst Mädchen und Frauen. So unterhält sie etwa rund 70 Schulen, vier Colleges und drei Berufstrainingszentren. Weitere Schulen, die so genannten „Bridge Schools“ sind in Planung. Sie sollen Kindern - und vor allem Mädchen! - in entlegenen Regionen den Schulbesuch ermöglichen und langfristig eine Brücke zu weiterführenden staatlichen Schulen schlagen.


„Schulbildung und solide Berufsausbildung sichern die Lebensgrundlage einer ganzen Familie und schaffen später weitere Arbeitsplätze“, so Reiser. Die Schulen und Berufsbildungszenten der Gossner Kirche sind somit den Kindern und Jugendlichen der sozial benachteiligten Adivasi-Familien eine wichtige Stütze beim Aufbau einer eigenen Existenz. Die Einrichtungen stehen auch Mädchen und Jungen anderer Religionen offen.


470 Millionen Angehörige indigener Bevölkerungen weltweit


Es gibt keine allgemein anerkannte Definition des Begriffs „indigene Bevölkerungen". Die Leiterin der UN-Arbeitsgruppe für indigene Völker, Erica-Irene Daes, schlug 1996 vier Kriterien vor: die zeitlich erstmalige Besiedelung eines bestimmten Territoriums, die freiwillige Bewahrung von kulturellen Unterscheidungsmerkmalen, Selbstidentifikation und gleichzeitig auch Anerkennung durch andere Gruppen oder Staaten sowie eine Erfahrung von Unterdrückung, Marginalisierung oder Diskriminierung. Nicht alle diese Kriterien treffen dabei gleichermaßen auf sämtliche indigene Bevölkerungen zu.


Während in manchen Ländern statistisch vor allem jene als Indigene erfasst werden, die sich selbst als solche identifizieren, gibt es auch Ansätze, die darüber hinausgehen. Beispielsweise in Myanmar: Aktivist/-innen verwenden dort den Begriff hta-naytain-yin-tha in burmesischer Sprache, um indigene Bevölkerungen zu beschreiben, und berücksichtigen dabei auch nationale Nichtdominanz, historische Kontinuität, angestammte Gebiete und Selbstidentifikation. Laut der verstorbenen Mohawk-Forscherin Patricia Monture-Angus geht es bei der Selbstbestimmung hingegen grundsätzlich um Beziehungen: den Beziehungen zwischen Land, Kultur und Gemeinschaft. Der Bericht „The Indigenous World“ der Internationalen Arbeitsgruppe für indigene Angelegenheiten beschreibt die Identifikation indigener Bevölkerungen als dringendes Problem, da ihre Erfassung eng mit politischer Teilhabe und gesetzlichem Schutz verbunden ist.

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