60 Jahre: Enorme Herausforderungen

Kinder in Sambia: Wie sieht die Zukunft aus?
Sambia: Wie sieht die Zukunft aus? © Helmut Kirschstein

Unabhängigkeit: Sambia blickt auf steinigen Weg zurück


60 Jahre Unabhängigkeit: Am 24. Oktober hat Sambia Anlass zu feiern. Das Land gilt politisch als relativ stabil; es kämpft jedoch gegen den Klimawandel, gegen Armut, Korruption, Bevölkerungswachstum und Mangelernährung.

Im Jahr 1970 begann die Gossner Mission ein Entwicklungsprojekt im Süden Sambias, nur wenige Jahre nach der Unabhängigkeit. Präsident Kenneth Kaunda selbst hatte um Unterstützung für die zwangsumgesiedelte Bevölkerung der Tonga am Sambesi gebeten. Wie sah das Land damals aus? Und wie hat es sich entwickelt?

Es war ein steiniger, doch weitgehend friedlicher Weg von der britischen Kolonie zum sambischen Humanismus; vom Sonderweg zwischen West und Ost zu einem Staat, der immer wieder von Schulden, HIV/Aids und Dürrekatastrophen erschüttert wird.

Kenneth Kaunda: "One Zambia - One Nation"

Unter dem Namen Nordrhodesien war Sambia bis 1964 britische Kolonie. Dann wurde das Land selbstständig. Kenneth Kaunda, einer der großen Führer Afrikas in jenen Jahren, war Präsident bis 1991. Früh führte er, als die Demokratie westlicher Prägung das Land zu zerreißen drohte, ein Einparteiensystem ein. Sah er sein Land noch nicht reif zu einer pluralen Demokratie? Oder traute er niemandem außer sich zu, das Land zusammenzuhalten? Immerhin schaffte er es, eine Gesellschaft mit mehr als 70 Volksgruppen und 40 Sprachen zu einen. Slogan: „One Zambia – One Nation“.

Politisch versuchte Kaunda, unter dem Slogan des „sambischen Humanismus“ einen Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus zu gehen. Als Frontstaat im Südlichen Afrika mit Grenzen zum britischen Südrhodesien (heute Simbabwe) und als Standort für die Exilregierung des südafrikanischen ANC (die Partei Nelson Mandelas, die von 1960 bis 1990 im Apartheidsstaat Südafrika verboten war) wurde das Land vom Westen und vom Osten gleichermaßen umworben und unterstützt.

Sambias Bevölkerung wuchs in jenen Jahren von 3,5 auf 8,5 Millionen, heute sind es knapp 21 Millionen. Wirtschaftlich war das Land von Anfang an abhängig vor allem vom Kupfer, das in den Minen des so genannten „Copperbelts" abgebaut wurde. Daran hat sich in 60 Jahren Eigenständigkeit nicht viel geändert. Anfangs schöpften internationale Konzerne die Gewinne ab; dann wurden die Minen verstaatlicht, was jedoch mit fehlender Management-Kompetenz und sich ausbreitender Korruption einherging.

Von der Ölkrise zur Schuldenkrise

Dann kam die Ölkrise. 1976 erlebte Sambia eine Zahlungskrise und geriet gegenüber dem Internationalen Währungsfonds schnell in die Schuldenfalle. Hinzu kam in den 1980er Jahren die HIV/Aids-Krise. Zwischenzeitlich ging man von 20 bis 30 Prozent infizierter Menschen aus. Noch immer ist Aids eine der größten Herausforderungen.
Bevor die Krankheit die Großfamilien – das traditionelle soziale Sicherungssystem in Afrika – erschütterte, waren die Menschen in Notlagen irgendwie aufgehoben und versorgt. Mit dem Wegsterben großer Teile der mittleren Generation gab es innerhalb weniger Jahre plötzlich eine halbe bis eine Million Aidswaisen im Land.

Mit dem Ende der Apartheid in Südafrika zu Beginn der 1990er Jahre und dem Ende der Sowjetunion verlor Sambia seine Vorrangstellung in der Region und weitgehend auch die entsprechende Unterstützung. 1991 wurde zum Schlüsseljahr. Nach Jahrzehnten der Alleinherrschaft, teils mit harter Hand, wuchs die Unzufriedenheit in der Bevölkerung, bildeten sich Oppositionsparteien, erstarkten Gewerkschaften. Der Mythos „KK“ war schon längst verblasst. Schließlich wurde der Druck so groß, dass an freien Wahlen kein Weg vorbeiging. Kenneth Kaunda verlor und übergab sein Amt an Frederick Chiluba.

Seitdem wechselten die Regierungen mehrfach, in der Regel und erfeulicherweise friedlich, jedoch ohne erkennbare Fortschritte im politischen oder wirtschaftlichen Bereich. Zuletzt setzte sich bei den Präsidentschaftswahlen 2021 Oppositionskandidat Hakainde Hichilema überraschend gegen Amtsinhaber Edgar Lungu durch. Lungu hatte das Land seit 2015 zunehmend autoritär regiert und den Raum für demokratische Teilhabe deutlich eingeschränkt.

Sambia kämpft gegen Armut, Korruption, Klimawandel

Die Regierung unter Präsident Hichilema verfolgt heute einen ehrgeizigen Reformkurs, sieht sich allerdings mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. Dazu zählen die große Armut, die Mangelernährung, die Auswirkungen der Corona-Pandemie, die Folgen des Klimawandels, eine ausgeprägte soziale Ungleichheit, ein starkes Bevölkerungswachstum und eine extrem hohe Staatsverschuldung. Ende 2020 musste Sambia seine Zahlungsunfähigkeit gegenüber seinen internationalen Gläubigern erklären.

Geblieben ist immer noch die Abhängigkeit vom Rohstoff Kupfer; eine ernstzunehmende Veredelungsindustrie hat sich nicht etabliert. Ausländische Investoren, zunehmend auch aus China, exportieren Produkte aus dem Bergbau oder Agrarprodukte, die großflächig für den asiatischen Markt angebaut werden. Was von den Gewinnen im Land bleibt, wie viel an Steuern in die Staatskasse fließen – oder doch weiterhin in die Taschen von Eliten, das lässt sich kaum genau prüfen. Auch die Regierung Hichilema zeigt bereits Anfälligkeiten zum Machtmissbrauch.

„Mehr als 60 Prozent der sambischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze von 2,15 US-Dollar am Tag“, sagt Gossner-Direktor Christian Reiser. „Im Gwembe-Tal ist die Situation sogar noch dramatischer. Hier kämpfen viele Kleinbauernfamilien Tag für Tag gegen den Hunger. Deshalb steht die Gossner Mission weiter an der Seite der Menschen in Sambia!“

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Sambia – Titelthema in „Gossner. 3/2020“ (PDF) >>