Knietief im Wasser: Klimagerechtigkeit: Assam/Indien Überflutungen im Sommer 2020. © D. Talukdar/iStock
Knietief im Wasser: Assam im Sommer 2020. © D. Talukdar/iStock

Zwischen Dürre und Sturzflut

Indien: Das lokale Gleichgewicht ist gestört

Als der Monsun vorüber ist, kommen die Elefanten. Sie greifen Menschen an und zerstören Getreidespeicher. Sie fühlen sich bedroht: Ihr natürlicher Lebensraum wird immer weiter eingeengt. Denn aufgrund der zunehmenden Trockenheit vergrößern die Bauern ihre Felder, um überleben zu können. Das lokale Gleichgewicht ist gestört.

700 Millionen Menschen in Indien leben auf dem Land. Sie sind abhängig von der Landwirtschaft – und von natürlichen Ressourcen wie Wasser, Wälder, Grasland und Küstenzonen. Und daher sind sie durch den Klimawandel besonders gefährdet.

Viele Menschen in Indien, gerade auf dem Land, sind sich jedoch der Gefahren, die der Klimawandel mit sich bringt, kaum bewusst. Zum Beispiel verbrennen sie nach der Ernte das trockene Gras und die Strohstoppeln auf dem Feld. Das trägt wesentlich zur Luftverschmutzung in Delhi und anderen Städten bei.

Kohleabbau im Bundesstaat Jharkhand

Auch der Bundesstaat Jharkhand, in dem die Gossner Kirche zu Hause ist, ist überwiegend landwirtschaftlich geprägt. Während der Madhuca-Saison (Madhuca: ein indischer „Butterbaum“) sammeln die Menschen dessen Früchte im Wald, trocknen sie in der Sonne und verkaufen sie auf dem Markt. Aber dafür zahlt die Umwelt einen hohen Preis, denn die Menschen verbrennen zunächst im Wald die heruntergefallenen Blätter, damit sie die Früchte ungehindert aufsammeln können. „Eine lokale Tradition, die aber gemeinsam mit anderen zu den Treibhausgas-Emissionen beiträgt“, erläutert Prawin Bage von der indischen Gossner Kirche. Außerdem besteht die Gefahr, dass Waldbrände ausbrechen, die das lokale Ökosystem und die Artenvielfalt aus dem Gleichgewicht bringen könnten.

Abgesehen davon tragen in Jharkhand der Bergbau und der Transportsektor erheblich zur Treibhausgas-Emission bei. Der Bundesstaat zählt zu den großen Produzenten von Kohle, Glimmer, Kyanit, Kupfer, Uran und Pyrit. Und es wird geschätzt, dass die CO2-Emissionen in Indien noch einige Zeit weiter ansteigen werden, da der derzeit niedrige Pro-Kopf-Energieverbrauch erhöht werden muss, um das Wachstum zu unterstützen und die Millenniums-Entwicklungsziele zu erreichen.

Die Auswirkungen des Klimawandels aber werden schwerwiegende Folgen haben. Sektoren, die von natürlichen Ressourcen abhängig sind (d.h. Vegetation, Wasserressourcen, Regen und Land), werden am stärksten betroffen sein, während andere Sektoren zusätzliche Ressourcen bereitstellen müssen, um sich an die Verschiebung der Wettermuster und den Temperaturanstieg anzupassen. Gemäß eines Szenarios werden die Niederschläge in Jharkhand bis 2080 in allen drei Jahreszeiten allmählich ansteigen, und sowohl Sommer als auch Winter werden immer heißer werden.

Bereits jetzt werden extreme Wetterereignisse auf dem indischen Subkontinent registriert. Nicht weniger als neun Zyklone wurden 2019/2020 beobachtet. Sie hatten teilweise auch Auswirkungen auf Jharkhand. In Großstädten wie Mumbai, Delhi, Kolkata und Chennai häuften sich die Sturzfluten.

Andererseits herrscht in ganz Indien auch Trockenheit. Im Zeitraum 2005 bis 2010 wurde fast die Hälfte der Bezirke Jharkhands zu Dürregebieten erklärt, in denen weniger als 50 Prozent der normalen Niederschlagsmenge fiel. Und der Wasserbedarf der Menschen wird noch steigen …

Malaria und Dengue breiten sich aus

Der Klimawandel hat gesundheitliche Auswirkungen. Malaria und das Denguefieber breiten sich aus (Überschwemmungsgebiete sind Brutstätten für Moskitos); Atemwegsinfektionen werden prognostiziert, ebenso durch Wasser übertragene Krankheiten, Unterernährung aufgrund reduzierter landwirtschaftlicher Produktivität, Hitzestress und Verschlechterung der Luftqualität aufgrund reduzierter Bodenfeuchtigkeit während der heißen Jahreszeit. Klimawandel ist auch mit Armut verbunden, daher liegt der Fokus Indiens bei dem Thema auf Armutsbekämpfung und ländlicher Entwicklung.   

Die indische Regierung hat einen nationalen Aktionsplan zum Klimawandel formuliert, der acht verschiedene Aspekte bedenkt. Der Plan soll dem Land helfen, sich an die Klimaveränderungen anzupassen. So ist etwa von „Green India" die Rede. Der Wald- und Baumbestand soll sich qualitativ verbessern und sich innerhalb von zehn Jahren auf 20 Millionen Hektar erhöhen. In Übereinstimmung mit diesem nationalen Plan hat auch Jharkhand einen Plan erstellt. Darin wird etwa empfohlen, die Rolle von Selbsthilfegruppen, ländlichen Banken und landwirtschaftlichen Kreditgesellschaften zu erweitern. Auch soll traditionelles Wissen der Menschen stärker einbezogen werden, etwa wenn es um den Anbau von Zwischenfrüchten geht, um das Risiko von Ernteausfällen zu minimieren. Oder stärker lokale Pflanzen und Kräuter anzubauen, die extremen Wetterbedingungen standhalten können.

Zurück zu den Elefanten, die für die Menschen im ländlichen Jharkhand immer wieder eine große Sorge darstellen. Ihre natürlichen Lebensräume waren durch Baumfällungen und andere menschliche Eingriffe in den Wäldern zerstört worden, was zu einem lokalen ökologischen Ungleichgewicht und einem Verlust der Artenvielfalt führte.